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Meine Damen und Herren, lieber Thomas

mit „Kleine Särge und Urnen“ hast du deine Ausstellung angekündigt und es mir überlassen in diese deine Ausstellung einzuführen. Wir kennen uns nun schon seit geraumer Zeit und ich durfte deine gestalterische Entwicklung beobachten.

Gestatte mir, deinen Ausstellungstitel mit einem Titel von einem Gedicht von Jürgen-Peter Stössel,

welches mich seit über 30 Jahre begleitet, zu erweitern. Jürgen-Peter Stössel schreibt in seinem Gedicht „Zuversichtlicher Abschied“:

                        Was du mir nimmst

                        wenn du jetzt gehst

                        (nur keine Angst)

                        das nimmt mir nicht das Leben

 

                        Doch hätt ich mehr davon

                        wenn du noch weitergingst

                        mit mir

                        und ohne Angst

                        wir kämen uns zu nah

 

                        So bleibt mir nur

                        was ich gab

                        Das kannst du mir nicht nehmen

 

Thomas Westerhellweg beschäftigt sich in seiner gestalterischen Arbeit, seit seinem Studium an der Hochschule Zwickau und der Kunstakademie Münster, mit dem letzten Behältnis des Menschen, bevor er in die Erde herabgesenkt wird.

Diese Behälter, kleine Särge und Urnen, sind aus verschiedenen Hölzern gefügt. Diese Affinität zur Holzgestaltung wurde wohl angelegt in seiner frühen Ausbildung zum Holzbildhauer in den Jahren von 1992 bis 1995.

Diese Liebe zum Holz hat ihn auch in den nachfolgenden Studienjahren von 1995 bis 1999 an der Westsächsischen Hochschule Zwickau in Schneeberg und dem anschließenden Studium bis 2002 an der Kunstakademie in Münster nie verlassen.

Holz ist in unserer nördlichen Bestattungskultur das bevorzugte Material, im Gegensatz zu der etruskisch-römischen oder auch orientalischen Kultur. Hierin zeigt sich auch eine ausgewiesene Haltung der Menschen gegenüber ihrer Weltsicht. Wurden insbesondere in der etruskisch-römischen Kultur Steinsärge mit individueller ganzkörperlicher Abbildung gestaltet, die eine bildhafte Erinnerung an den Verstorbenen aufrecht halten, so wird in unserer Kultur doch eher das Einswerden mit der Erde gepflegt und die Erinnerung an die Verstorbenen mit Steinstelen aufrecht erhalten.

Die kleinen Särge von Thomas Westerhellweg sind in ihren Ausmaßen für Föten und totgeborene Kinder gedacht. Ein kleiner Sarg, weiß gefasst, ist mit einem runden Boden ausgeführt, der dadurch die Erinnerung an eine Wiege aufkommen lässt.

 

Der Deckel wird mit zwei Schnüren verschlossen. Dieser Verschluss zitiert das liebevolle Einwickeln eines Kleinkindes, um es vor den Unbillen der Außenwelt zu beschützen.

In dieser Gestaltung offenbart sich die Herangehensweise von Thomas Westerhellweg, die sich nicht nur in der behutsamen Auswahl der Hölzer und ihrer professionellen Verarbeitung zeigt, sondern vor allem sich auf gestalterische Zitate bezieht, die den Bezug zu der Funktion des Gegenstandes offenlegen.

Dadurch sind die kleinen Särge nicht nur funktionale Zweckgegenstände der Bestattung, sondern und vor allem gestalterische Unikate, die die jeweilige geistige Bestimmtheit materialisieren und damit die Achtsamkeit gegenüber dem Leben und seinem unweigerlichen Ende thematisieren.

Die zweite Werkgruppe stellt individuell gestaltete Urnen aus Holz vor. Die rot gefasste Hausurne weist auf das Prinzip Behausung hin. Formal ist nicht die Verkleinerung eines Hausprinzips gestaltet, sondern die Hausidee ist mit angeschrägten Seiten und verschobenem Dach vorgestellt.

Der Urnenschlitten nimmt ein weiteres Prinzip in seiner ursrünglichen Form auf. Der Schlitten ist das Urprinzip der menschlichen Fortbewegung, bevor das Rad entwickelt wurde.

Hier zitiert Thomas Westerhellweg den Künstler Joseph Beuys, der das Schlittenbild in vielfältiger Weise thematisiert hat.

 

In dem Kopfteil einer anderen Urne befindet sich eine Aufbewahrung für kleine Kästen aus Pappe, in die Erinnerungen abgelegt werden können. Diese Kästen differieren in ihrer Größe und Farbigkeit, wie auch die Erinnerungsgegenstände unterschiedliche Abmessungen aufweisen und somit ihren angemessenen Platz finden können.

Bei einer weiteren Urne ist im Deckel ein Holzring eingearbeitet, der als Andenken zurückbleiben darf.

Einen besonderen gestalterischen Schritt unternimmt Thomas Westerhellweg, in dem er eine Fläche der Urne als Druckstock verwendet und so eine Erinnerungsgrafik bereithält, die als Andenken an der Wand ihren Platz finden könnte.

An der Wand sind 9 Holzschnitte plaziert. Hier werden farbige, konstruktive Flächen vorgestellt. Diese Holzschnitte nehmen Bezug zu der konstruktiven Gestaltung der Urnen. Im Querformat werden Kontraste von kleinen Quadraten zu großen Flächen thematisiert und erinnern damit vielleicht an handwerkliche Holzverbindungen, wobei kleine Ausschnitte aus dem Holz größere Platten miteinander verbinden.

In ihrer Ausdrucksqualität genügen sie aber auch ästhetischen Ansprüchen und sind somit autonome Grafiken.

 

Behalten sie diese kleine Ausstellung von Thomas Westerhellweg in Erinnerung. Ich wünsche Ihnen einen „Zuversichtlichen Abschied“, wenn Sie diese Ausstellung nachher verlassen.

 

Vielen Dank

 

Werner Hielscher im Juni 2016

Dem Tod künstlerisch begegnen

 

Spannende Ausstellung im Bestattungsinstitut Noller und Ziebell in Bielefeld

Während der Tod, im Speziellen der Tod von (ungeborenen) Kindern, gleichermaßen aus Gesprächen und Gedanken verbannt wird, setzt sich Thomas Westerhellweg künstlerisch mit dem „letzten Behältnis“ des Menschen auseinander: Urnen und kleinen Särgen.

Ein Sarg, der an eine Babywiege erinnert

Die Werke des Künstlers weisen verschiedene funktionale und ästhetische Eigenschaften auf: So hält eine der Urnen am Kopfteil eine Aufbewahrung für kleine Kästen aus Pappe bereit, in die Erinnerungen abgelegt werden können. Diese Kästen unterscheiden sich in ihrer Größe und Gestaltung, damit jeder Erinnerungsgegenstand seinen angemessenen Platz finden kann. Ein Holzring ist in das Oberteil einer anderen Urne eingearbeitet, der als Andenken mit nach Hause genommen werden kann. Der Künstler findet hier eine Antwort auf das Bedürfnis nach einer ertastbaren Verbindung mit dem Verstorbenen, die über das Grab hinausgeht.

Offener Diskurs über schwere Themen

Die Besucher der Ausstellung werden behutsam an das Thema herangeführt und sensibilisiert. Für unsere Branche, die Bestattungsbranche, ist die kulturelle Auseinandersetzung mit dem Tod enorm wichtig. Sie rückt Bestattung, Trauerrituale und den Umgang mit dem Sterben sowie dem Tod in den aktuellen Zeitgeist und lässt einen offenen Diskurs zu.

Auf www.gestaltungsfrei.de finden Bestatter, Angehörige und Kunstinteressierte weitere Informationen zum Künstler und seinen Exponaten. Die Ausstellung findet noch bis zum 30. September statt. Die Bestatterinnen Noll und Ziebell bitten um vorherige Terminabsprache, damit Besucher nicht vor verschlossenen Türen stehen.

 

Quelle: https://www.bestatter.de/meta/news-termine-presse/dem-tod-kuenstlerisch-begegnen/

© 2015-2022 Thomas Westerhellweg

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